Sonntag, 26. Juni 2011

Im Namen des Volkes - nicht für die Staatsanwaltschaft Köln

Wie sehr auf allen Ebenen das Volk "verarscht" wird, ist auf Grund der Massivität kaum noch darstellbar.

Wie das im Bereich der Justiz aussieht, hat der Rechtsanwalt Udo Vetter, seines Zeichen Betreiber des lawblogs, einmal mehr beschrieben. In dem von Vetter vorgestellten Fall ist die Staatsanwaltschaft Köln gar nicht erst ihrer Pflicht nachgekommen, sondern betreibt dafür haltlose Propaganda und verbreitet Fehlinformationen.

Doch lesen sie selbst:
Was Staatsanwälte wirklich lähmt 
Für Frau F. war die Sache ärgerlich genug. Jemand hatte bei einem Bezahldienst ihren Account geknackt und online zwei “Dienstleistungen” gekauft. Der Gesamtschaden betrug rund 100 Euro. Frau F. erstattete Strafanzeige. Ihr war dabei auch klar, dass es schwierig werden wird, an den Täter zu kommen. 
Die Antwort der Staatsanwaltschaft Köln überraschte sie dann doch. Darin wird ihr lapidar mitgeteilt, dass man gar nicht ermitteln kann. Wörtlich heißt es in dem Schreiben aus Mai 2011: 
… können sich Tathinweise nur aus den angefallenen Internetverbindungsdaten ergeben. Ermittlungen zum Inhaber einer dynamischen IP-Adresse können nur durch Abfrage der Bestandsdaten unter Nutzung der beim Provider vorhandenen Verkehrsdaten ermittelt werden. Die Speicherung solcher Daten ist nach der Entscheidung des BVerfG … zur sog. Vorratsdatenspeicherung … unzulässig, weil das zugrunde liegende Gesetz nichtig ist. Eine verfassungskonforme Regelung gibt es bisher nicht. Somit stehen diese Daten nicht zur Verfügung. 
Andere Ermittlungsansätze sind nicht vorhanden. Weitere Nachforschungen versprechen zur Zeit keinen Erfolg. 
Der Brief klingt erst mal wie unverhohlene Reklame für die Vorratsdatenspeicherung. Lieber Bürger, hätten wir die Vorratsdatenspeicherung, könnten wir Ihnen gerne und zuverlässig helfen. Aber so sind uns die Hände gebunden, die Verbrecher gehen uns durch die Lappen. Das Internet ist ein rechtsfreier Raum. Sie wissen schon. 
Schenken wir uns die Propaganda und kommen zum eigentlichen Punkt. Nämlich der Dreistigkeit, mit der die die Staatsanwaltschaft hier ihre eigene Unlust, pflichtgemäß eine Straftat aufzuklären, ummantelt. 
Ohne Vorratsdaten, sagt das Schreiben, können wir nichts machen. Also fangen wir erst gar nicht an. Die Aussage ist irreführend. 
Wie kann man ohne Ermittlungen sagen, es handele sich um eine dynamische IP? Es gibt genug Provider, die statische IP-Adressen vergeben. Die dazu gehörenden Daten des Anschlussinhabers müssten auf Anfrage der Polizei auch herausgegeben werden. Das hat mit Vorratsdatenspeicherung nicht das Geringste zu tun. 
Ein weiterer Punkt: Woher weiß ich ohne Nachfrage beim Provider, dass dieser nicht vielleicht doch noch Daten gespeichert hat? Nur die wenigsten Internetanbieter speichern gar keine Verkehrsdaten. Die weitaus meisten Provider halten sehr wohl fest, welche IP-Adresse ihren Kunden in welchem Zeitraum zugewiesen war. Lediglich die Speicherdauer ist unterschiedlich; sie reicht nach meiner Erfahrung von wenigen Stunden bis zu etlichen Wochen. Bei entschiedenem Nachfragen tauchen mitunter auch noch Monate, ja ein, zwei Jahre alte Datensätze auf. Das habe ich schon mehrfach erlebt. 
Wie falsch die Staatsanwaltschaft Köln mit ihren Argumenten liegt, zeigt sich schon an den tausenden Abmahnungen, die jede Woche an Filesharer gehen. Würden die Provider nicht wenigstens für einen begrenzten Zeitraum IP-Adressen dokumentieren, wären die Abmahnwellen längst verflacht. 
Sind beim Provider aber noch solche nun mal gespeicherten Daten vorhanden, die eine Verknüpfung von IP-Adresse und Anschlussinhaber ermöglichen, müssen diese nach einer Anordnung durch ein Zivilgericht auch an die Rechteinhaber herausgegeben werden. 
Auch wenn die Musik- und Filmindustrie ausgezeichnete Lobbyarbeit macht – dass sie besseren Zugriff auf solche Daten hat als ein Polizist oder gar ein Staatsanwalt, ist kaum zu erwarten. Es ist auch tatsächlich nicht der Fall. 
Mit der Vorratsdatenspeicherung, die einen extra Speichergrund für die Strafverfolgung bereitstellte, haben diese ohnehin möglicherweise noch vorhandenen Daten nichts zu tun. Ein anderer Punkt wäre allerdings die Frage, ob eventuelle Vorratsdaten überhaupt für so ein (Bagatell-)Delikt verwendet werden dürften. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts dürfen solche Daten nämlich grundsätzlich nur zur Verfolgung schwerer Straftaten und zur Abwehr erheblicher Gefahren genutzt werden. Es ist also eher so, dass Vorratsdaten der Staatsanwaltschaft Köln ohnehin kaum weitergeholfen hätten – was die Argumentation im Kern unredlich macht. 
Die außerdem ins Feld geführte Behauptung, ohne Vorratsdatenspeicherung gebe es im Fall von Frau F. keine Ermittlungsansätze, ist jedenfalls Nonsens. Aber eine bequeme Möglichkeit, sich die an sich fällige Arbeit gleich zu sparen. Dass der abschlägig beschiedene und argumentativ übervorteilte Bürger gleich noch Fan der Vorratsdatenspeicherung wird, scheint mir fast nur wie ein willkommener Nebeneffekt.
Quelle: lawblog (siehe auch die Kommentare bezüglich des Artikels unter lawblog)

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